Dienstag, 30. September 2008

Dallas - JFK

Dallas ist die Stadt in der am 22.November 1963 der 35. Präsident der USA, John Fitzgerald Kennedy – JFK - erschossen wurde.
Als Täter wurde als bald der bekennende Marxist-Leninist Lee Harvey Oswald in einem Kino gefasst, der stets beteuerte, nicht in die Tat verwickelt gewesen zu sein. Die Gerüchte einer Verschwörung des Geheimdienstes gegen den jungen Präsidenten, der das Engagement der Vereinigten Staaten in Südostasien verhindern wollte, halten sich bis heute und in der Tat sprechen einige Indizien gegen eine Täterschaft von Oswald, der wiederum 2 Tage nach dem Attentat vor den Augen der Presse von dem zwielichtigen Nachtklubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde – noch bevor er offiziell angehört werden konnte. Die eingesetzte Komission unter dem Vorsitz des Obersten Richters Earl Warren nahm sich der Untersuchung des Vorfalls an und kam zu dem Schluss, dass eine Verwicklung anderer Personen als Lee Harvey Oswald in das Attentat ausgeschlossen sei.

Die Stelle auf der Strasse, auf der sich die Limousine des Präsidenten befand, als die zweite der drei abgefeuerten Kugeln - die „verhexte Kugel“ - den Körper von JFK durchdrang und den texanischen Gouverneur John Conally am Unterarm und Oberschenkel verletzte, ist durch ein Kreuz markiert, ebenso wie die Stelle der dritten, der tödlichen Kugel. Als wir jenen Ort aufsuchten, trafen wir zufällig auf den Autor Robert Groden, der sich seit über 40 Jahren mit dem Attentat beschäftigt, einem der strengsten Kritiker der Warren-Komission und der auch als Berater für den Oliver Stone Film „JFK“ mit Kevin Kostner als Staatsanwalt Jim Garrison tätig war. Er hatte einen kleinen Stand neben dem Zaun aufgebaut, hinter dem einige Zeugen am 22. November 1963 einen weiteren Schützen und Pulverrauch gesehen haben wollen. Dort verkaufte er seine Bücher sowie seine Dokumentation auf DVD und stand auch für Fragen zur Verfügung. Er ist der Überzeugung, dass Lee Harvey niemals als Täter in Frage kommen kann. Seine Erkenntnisse zog er auch aus der Analyse des sogenannten „Abraham Zapruder Filmes“, eines 8mm Amatuerfilmes, der die Geschehnisse des Attentates festhielt und aus der akribischen Analyse jedes Details an jenem Tage.

In der sechsten Etage des ehemaligen Schulbuchlagers der Stadt Texas, von dem aus der Schütze angeblich JFK erschossen haben soll, ist eine umfangreiche Ausstellung zu dem Thema untergebracht. In der Erwähnung der Aussenpolitik Kennedys wird auf die Invasion in der Schweinebucht, bei der es exilkubanischen Truppen gelang, 18 Quadratmeter Kuba zu erobern, ebenso wie auf die Kubakrise 1962 hingewiesen. Das Treffen von Chruschtschow und Kennedy in Wien unter unserem El Presidente Adolf Schärf - „wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr“ – wird leider nicht erwähnt.

Die Beweislage gegen Lee Harvey Oswald war drückend, doch auch mit einigen Ungereimtheiten gespickt. So war Oswald Mitarbeiter des Schulbuchlagers – das dürfte wohl einige der Fingerabdrücke am Tatort erklären – er hatte sich auch ein Sandwich in einem braunen Papiersack mitgebracht. Wer bei Mord noch gemütlich einen Snack genießt, muss wirklich eine Ausgeburt der Hölle sein, eben ein typischer Marxist. Blickt man aus dem Fenster, von dem Oswald geschossen haben soll – drei gezielte Schüsse in sechs Sekunden mit einem Versandhausgewehr um 19 Dollar - so erscheint einem die knapp 60 Meter entfernte Stelle weit weniger günstig als die Stelle hinter dem Holzzaun, die lediglich 20-25 Meter vom beweglichen Ziel entfernt war/ist. Oswald war auch nachweislich als FBI-Spitzel tätig, seine Verbindungen zur CIA nach der Rückkehr aus dem selbstgewählten Exil in der UdSSR wurden nie ausreichend beleuchtet.
Wie dem auch sei, Lyndon B. Johnson ordnete nach seiner Angelobung als Präsident an, dass die offiziellen Untersuchungen erst im Jahr 2039 der Öffentlichkeit zugänglich werden.

der besagte Zaun


das besagte Kreuz


der besagte Robert

Übrigens, wer sich immer gewundert hat, warum Jackie Kennedy nach den Schüssen auf den Kofferraum kletterte, dem sei hier geholfen; sie versuchte, die durch den Schädelschuss weggesprengten Fragmente der Hirnschale JFKs einzusammeln und auf den Hinterkopf ihres Gatten zu drücken – wohl eine Schock-Reaktion. In diesem Fall macht auch Zürich-Kosmos nichts wieder gut.
Der Besuch des Museums lohnt sich aber auf jeden Fall, der letzte Teil der Ausstellung ist den Verschwörungstheorien vorbehalten. Pluspunkte sind die Audioguides die auf Deutsch erhältlich sind und die sehr professionell gestaltete Ausstellung, die immer wieder durch kleine Filmbeiträge aufgelockert wird.

Mit der Ermordung Kennedys, die wie ein Schock um den Globus ging, starb einer der charismatischten Präsidenten der USA – seinem Charme konnte sich auch Marilyn Monroe nicht entziehen. Fraglich bleibt, ob das misslungene Abenteuer in Vietnam wirklich ausgeblieben wäre.
Literaturtipp:
Mailer, Norman, Oswalds Geschichte. Der Fall Lee Harvey Oswald. Ein amerikanisches Trauma. München 1995.



Es findet sich sogar ein Hofbräuhaus in Downtown Dallas :-)

Samstag, 27. September 2008

Die Rückfahrt...

Die Heimfahrt nach Little Rock sollte noch lustig werden. Dass der Cadillac gelegentlich bockte, war uns schon aufgefallen. Bei Durchtreten des Gaspedals beschleunigte der Wagen nicht, auch Fehlzündungen kamen vor. Was konnte das sein, eine Verstopfung in der Kraftstoffzufuhr? Verschmutzte Zündkerzen? Egal, der Wagen würde hoffentlich durchhalten. Ohne einen gültigen Führerschein, ohne Telefon – die amerikanischen Interstates haben keine Notrufsäulen – und mit einem bockenden Wagen 300 Meilen nach Texas und zurück, das schmeckte nach Abenteuer. Flugs noch schnell einen Hamburger bei „Jack in the box“ - Kollege Bergmayr hatte Recht, wirklich ein guter Burger – und es ging wieder nach Hause.
Die Bockereien und die Fehlzündungen mehrten sich, aber immer wenn wir den Wagen auf den Pannenstreifen steuern wollten, funktionierte wieder alles wie geschmiert. Doch jedes Überholmanöver der viel zu schnell fahrenden Sattelschlepper kratzte am Nervenkostüm. Würde der Wagen es schaffen? Oder würde er immer langsamer neben dem LKW herfahren und schliesslich zurückfallen? Wir mussten doch nach Hause, ein Test auf der Universität war am nächsten Tag angesetzt, den wir unter keinen Umständen versäumen sollten. Jedes Mal schaffte es der Wagen gerade doch noch, wie durch unsere Anspannung vorangetrieben. Das Spiel ging einige Male hin und her. Dann, plötzlich, ging nichts mehr, der Wagen wurde immer langsamer. Der Versuch, den Wagen durch Durchtreten des Gaspedals zu beschleunigen, fruchtete nicht. Verflucht. Nur mehr 60 Meilen am Tachometer... Der LKW im Rückspiegel kam immer näher. Wir zogen nach Links, der LKW ebenfalls. Erinnerungen an „Duell“, den ersten Spielfilm von Steven Spielberg, wurden wach. Würden wir den Zorn des LKW-Fahrers auf uns ziehen? Würde er uns jagen, bis einer aufgibt? Wenn ja, hatten wir eine Chance? Nur mehr 50 Meilen am Tachometer...
Der Sattelzug kam immer näher. Der Fahrer hupte, zweifelsohne wollte er uns kriegen. Das Gaspedal wurde durchgetreten, doch der Cadillac reagierte noch immer nicht. Nur mehr 40 Meilen am Tachometer... Der Kühlergrill im Rückspiegel wurde immer grösser, immer bedrohlicher. Es schien, als hätte er sich in eine Fratze verwandelt, höhnisch lachend, fies, hungrig. Nur mehr 35 Meilen am Tachometer... Wir zogen den Wagen nach rechts, der LKW folgte uns. Wieder hupte der Fahrer, dessen Gesicht nicht zu sehen war. Panik kroch hoch, eiskalt lief es uns den Rücken hinunter. Nur mehr 30 Meilen am Tachometer... Der Sattelzug war nun so nahe herangekommen, es gab keinen Zweifel mehr, wir waren verloren. Wir würden zermalmt werden, man würde unsere zerschmetterten Leichen aus dem Wrack ziehen müssen, unidentifizierbar, ohne Papiere. 25 Meilen am Tachometer... Die Fratze im Rückspiegel war nahe, unser Ende ebenso. Ein letztes, verzweifeltes Pumpen des Gaspedals. Keine Reaktion. Der Kühlergrill des Sattelzuges war nun direkt hinter dem Rückfenster. 20 Meilen am Tachometer... Es war vorbei...
Plötzlich, auf einmal, ein ohrenbetäubender Knall. Eine Fehlzündung, Kickdown, der Wagen beschleunigte, wie ein Raketenantrieb. 30 Meilen, 40 Meilen, der Sattelzug im Rückspiegel wurde immer kleiner. 50 Meilen, der Wagen beschleunigte weiter, wir waren gerettet. Der LKW wurde immer kleiner. Der Motor des Cadillacs lief wieder, allerdings viel lauter als zuvor. Diesmal waren wir gerade noch um Haaresbreite entkommen. Doch würde der Wagen durchhalten?

Wir schafften es tatsächlich heil nach Hause, allerdings doppelt so laut wie gewöhnlich. Da die Dunkelheit bereits hereingebrochen war, konnten wir keinen Schaden feststellen. Erst am nächsten Tag sahen wir, dass offenbar der Endtopf des Auspuffs explodiert war.
Die Diagnose lautete: Die Erdung in der Bordelektrik war mangelhaft, deswegen reagierte die Zündung nicht ordnungsgemäss. Durch „backfiring“, angestaute Abgase und unverbrannten Sprit explodierte der Endtopf. Doch Dank Wes, dem tätowierten Mechaniker unseres Vertrauens, und den Three-Star-Mufflers läuft der Wagen wieder 1a.


Dienstag, 23. September 2008

Texas

„All my Ex’s live in Texas,
and Texas is a place I'd dearly love to be" so sang George Strait in seinem Hit aus dem Jahr 1986. Es gibt kaum ein anderen Bundesstaat der USA, dessen Bild so sehr mit Klischees überladen ist, wie jenes des „Lone Star States“:
Öl-Milliardäre, Dallas, Longhorn-Rinder, Cowboys, Fort Alamo, "Luckenbach, Texas", Winchester-Repetiergewehre, Cadillac-Cabriolets mit Rinderhörnern auf der Motorhaube, riesige Steaks, gigantische Stetson-Hüte, Wüsten und Kakteen, George W. Bush, J.R. Ewing, riesige silberne Gürtelschnallen an engen Jeans, O-Beine in Cowboystiefel, Rodeo(clowns), “Walker, Texas Ranger”, mieser Akzent den kein Mensch verstehen kann, "alles ist etwas grösser als im Rest der Welt", Mexikaner als Hilfsarbeiter, flaches Land, Texas Kettensägen-Massaker, Pick-Up Trucks, schießwütige Hinterwäldler, Tex-Mex-Food...

Doch Texas ist auch die Heimat großer Musiker; Buddy Holly, Roy Orbison, Janis Joplin, Steve Ray Vaughn, Willie Nelson, Ray Campi, Bob Wills and his Texas Playboys, ZZ Top, Waylon Jennings...


Fünf Stunden Fahrt nach Dallas-Fort Worth? Für einen Cadillac ein Klacks. Die Erwartungen waren groß, als wir die Staatsgrenze in Texarkana hinter uns ließen, doch vorerst änderte sich die Landschaft nicht. Als wir dann aber nach weiteren 3 Stunden Fahrt den Interstate 635 im Osten von Dallas erreichten, staunten wir ganz schön ordentlich. Maulaffen feil bietend fuhren wir über eine vier-etagige Autobahnkreuzung, bei der jeder einzelne Pfeiler mit dem Lone Star geschmückt war, eine Ausdrucksform des sprichwörtlichen „Texas Pride“, der in den übrigen 49 Staaten nicht immer auf Verständnis stösst. Die Texas-Klischees existieren nicht nur in Europa, sondern auch in den USA.
Dallas mit knapp 1.2 Millionen Einwohnern und einem Einzugsgebiet von knapp 6 Millionen, ist eine Stadt mit überaus riesigen Ausmaßen. Die Stadt is mit Fort Worth zu einem enormen Ballungszentrum zusammen gewachsen.

Wieder ein Trader Vic‘s

Ein Trader Vic’s in Dallas? Nichts wie hin, dachten wir uns.
Die Bar ist im Komplex des Hotels „Palomar“ untergebracht. Nachdem das originale "Trader’s" an diesem Standort von 1965 bis 1988 betrieben wurde, kam es nach mehrmonatiger Renovierung 2007 zur Wiedereröffnung. Alles in allem orientiert sich der Stil des Lokals eher an den alten Lokalen als an den Neuen, die durch eine weit offenere Struktur gekennzeichnet sind. Wie in allen Lokalen der Kette sind die Gasträume in Bar- und Dinnerbereich aufgeteilt.
Unsere Empfehlung lautet: Sucht Euch immer einen Platz im Barbereich! Durch die kleineren Tische mit wenigeren Sitzgelegenheiten halten sich hier immer weniger Leute auf und der Lärmpegel ist somit weit geringer als im Dinnerbereich – dadurch fällt das Geniessen der einmaligen Atmosphäre weit leichter.
Nachdem wir die Bedienung gefragt hatten, welcher Cocktail in einem Souvenirbecher serviert wird – der „Kamaaina“ im 12$ Becher, der „Samoan Fog Cutter“ im 40$ Becher, entschieden wir uns für einen „Navy Grog“ und einen „Trader Vic Stinker“, denn die Preise erschienen uns wirklich zu teuer, zumal die Kokosnussbecher online bei Trader Vic’s um die Hälfte des Preises zu haben sind.



Die Tapastoffe wurden bei der Renovierung gegen Wandbemalungen mit denselben Mustern ausgetauscht, dies ist aber nur bei genauerer Betrachtung zu sehen. Die Tikis im Lokal sind, ähnlich wie am Standort in Atlanta, grossteils im marquesianischen Stil gehalten, wobei in Dallas vor allem die rüde Behandlung der Götter über der Bar ins Auge sticht. Dort fielen bei den beiden Stützpfeilern ca. 2/3 des Kopfes zum Anpassen des Daches der Kettensäge zum Opfer, die Nasenflügel wurden zu Augen umgearbeitet. Manch einem mag dieser Umstand nicht auffallen, dem geübten Tiki-Kenner ist dies sofort ein brennender Pfeil im Auge (aua!). Offensichtlich schadete diese Vorgehensweise aber dem mana des Lokals in keinster Weise, denn das Lokal war zum Bersten voll.
Die weitere Wandgestaltung besteht aus Schnitzereien, Schildkrötenpanzern, einigen Riesenmuscheln und Bambus. Speisen kann man auch im Barbereich, wir orderten „Chicken Chow Mei“ und „Szechuan Prawns“, beides Köstlichkeiten, die sich sehr gut mit dem „Stinker“ und dem „Original Mai Tai“ vetrugen. Ohnehin löst der Genuss von pikant gewürzten Speisen in Verbindung mit fruchtigen Rumcocktails eine wahre Geschmacksexplosion im Gaumen aus.




Die Hintergrundmusik erinnerte stark an den Klub Exotika in Graz, Martin Denny, Arthur Lyman, Don Ho, Hapa Haole Songs, Yma Sumac, die Ultra-Lounge-Samplerreihe wurden bunt gemischt serviert. Wir orderten noch einen „Suffering Bastard“, ein Cocktail, der eigentlich im Shepheard's Hotel in Kairo kreiert wurde. Dort becherten 1905 ein paar britische Offiziere lustig vor sich hin, deren Verhalten das Mitleid des Barchefs gegenüber seinem „poor suffering bar steward“ erregte. Im Rausch nicht genau hingehört, schon war ein Klassiker geboren. Wir nennen das „a bsoffene Gschicht“, in der Tat sind so manch grosse Dinge aus einer Alkohollaune heraus geboren worden.


Sonntag, 14. September 2008

Dyess, Arkansas - J.R. Cash

Auch wenn kaum ein Europäer fähig ist, den Namen des Bundesstaates korrekt auszusprechen, zwei Personen aus Arkansas sind weltberühmt: Johnny Cash und Bill Clinton. Während der eine als geläuterter Drogenfreak einer der größten Countrysänger und Songschreiber der Geschichte wurde, machte der andere als 42. Präsident der USA Karriere, auch wenn er den amerikanischen Jugendlichen beibrachte, dass Oralverkehr mit Praktikantinnen kein Sex ist. God bless America
Während der Hurrikan „Ike“ – nicht benannt nach Ike Turner, der zwar auch einiges zu Kleinholz machte – die texanische Golfküste verwüstete, machten wir uns auf den Weg nach Dyess, einem kleinen, verschlafenen Ort in Mississippi County, Arkansas. Der Ort wurde 1934 im Zuge des „New Deals“, der „Neuverteilung der Karten“ als Hilfsmaßnahme für die von der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gebeutelten Farmer, als Kolonie gegründet. Das kurzfristige Aufblühen dieser sozialistischen Elemente im Heimatland des Kapitalismus zog auch die Familie Cash nach Dyess, wo sie eine kleine Farm in dem rasterförmigen Ort bewirtschaften konnten, hauptsächlich ernährt durch den Anbau von Baumwolle. Heute ist Dyess nach wie vor ein durch die Landwirtschaft geprägter Ort, wobei jetzt aber vor allem Soja angebaut wird.

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Zum 5. Todestag von Johnny Cash, am 12. September, sollte eine kleine „Memorial-Show“ im Auditorium der Dyess-Highschool stattfinden, deren Ehrengast W.S. „Fluke“ Holland sein sollte, der Schlagzeuger der „Tennessee Three“, der Begleitband Johnny Cashs. Fluke wuchs in Jackson, Tennessee auf und begann seine Karriere als Musiker – er wollte eigentlich Klimaanlagentechniker werden - mehr zufällig. Carl Lee Perkins, weltberühmt für seine „Blue Suede Shoes“ und von vielen als „Godfather of Rockabilly" bezeichnet, fragte ihn 1954, vor der ersten Session für Sam Phillips in Memphis, ob er der Perkins-Brothers-Band nicht als Schlagzeuger beitreten wolle, obwohl er keinerlei Erfahrung auf dem Instrument hatte. Jahre später sollte er erfahren, dass Carl ihn nur deshalb gefragt hatte, da Fluke das einzige Auto in Carls Bekanntenkreis besaß, einen 1948er Cadillac, dem sie die Zuverlässigkeit zusprachen, die 80 Meilen weite Fahrt nach Memphis zu überstehen und noch dazu ausreichend Platz für Clayton Perkins‘ Kontrabass bot. Die Session im Sun-Studio war nach anfänglichem Zögern schließlich von Erfolg gekrönt, die Perkins-Band hatte ihren ersten Hit mit „Movie Magg“ aufgenommen. 1955 traf Fluke dann auf Johnny Cash und wurde Mitglied der „Tennesse Two“, von jetzt an „Tennessee Three“ genannt und sollte bis zum Tod von Cash sein Schlagzeuger bleiben.

Die fruchtbare Schwemmebene des Mississippi in Nordostarkansas wird vom Interstate 55 in Richtung St. Louis durchzogen. Es gibt in diesem Bereich des Landes kaum größere Ortschaften, das Land ist in alle Richtungen bis zum Horizont flach und die Wegweiser am Interstate geben wenig Auskunft, Dyess ist auf keinem einzigen genannt. Fährt man an der Abfahrt von Marie/Keiser vom Interstate ab und schlägt den Weg Richtung Westen am Highway 14 ein, erreicht man nach einigen wenigen Meilen Fahrt, vorbei an den Sojabohnenfeldern, eine Tafel: Dyess, Arkansas, Boyhood Home of Johnny Cash, Boyhood Home of Gene Williams.

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Der Ort selbst bietet ein eher trostloses Bild, die Bewohner hausen vorwiegend in Trailern. Doch die Freundlichkeit überraschte uns, die Kinder am Straßenrand winkten uns fröhlich zu. In der Ortsmitte befindet sich ein recht herrschaftlich anmutendes Gebäude, wie wir später erfahren sollten, ist hier die Unterbringung des Johnny-Cash-Museums geplant, sobald die marode Bude renoviert ist. Das dürfte wohl noch einige Jahre dauern, denn die Summe von 800.00 Dollar wird für die Gemeinde wohl schwer aufzubringen sein. Der Vollständigkeit halber sei hier auch erwähnt, dass einige Szenen des Filmes "Walk The Line" mit Reese Witherspoon und Joaquin Phoenix in dem kleinen Ort gedreht wurden.
Vor dem Auditorium der Dyess Highschool – jawohl, dort ging der junge J.R. zur Schule – waren ein paar Wagen geparkt und viel mehr sollten es im Verlauf des Abends auch nicht mehr werden, die Veranstaltung wurde von höchstens 70 Personen besucht. Da waren wir als Österreicher wohl das exotischste des ganzen Abends. Der Herr an der Kasse, mit dem wir uns unterhielten, erzählte uns von seinen Army-Erlebnissen in Deutschland – Geschichten über „Frauleins“ und die Vorzüge Europas, die Schönheit unseres Heimatlandes, das er auch besucht hatte. Auch wenn viele Amerikaner keinen Reisepass besitzen, mit der Army kommt man anscheinend ganz schön weit herum. Er gab uns auch bereitwillig Auskunft, wo sich die ehemalige Cash-Farm befindet – seine Großmutter hatte einst direkt gegenüber gewohnt und er hatte mit den Cash-Buben seinerzeit Cowboy und Indianer gespielt. Die Warnung, dass die Schotterstraße für unseren Wagen zum Problem werden könnte, ignorierten wir, in diesem Falle vertrauten wir voll unserem Cadillac.
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Das Haus und die ganze Farm mit der Adresse 4791 West Country Road 924 liegen wenige Meilen außerhalb des Ortes, sind relativ heruntergekommen und werden zur Zeit von einem Herrn namens Willie Stegall bewirtschaftet – wie uns ein gekonnter Blick in den Briefkasten kund tat. Das Angebot einer Firma, die Farm und das Wohnhaus der Cash-Familie für 200.000 Dollar zu verkaufen, hat er gerüchteweise abgelehnt, dafür nimmt er jetzt 5 Dollar für das Fotografieren des Hauses von den wenigen Touristen entgegen, um das Anwesen „erhalten“ zu können – oder sich doch die eine oder andere Flasche „Wild Turkey“ zu kaufen? Das war also jener Ort, an dem die Saat aufging, aus der die Legende des “Man in Black“ erwuchs, dem Outlaw und Sympathisant von Amerikas vergessenen Kindern, den Gesetzesbrechern, den verlorenen Helden, den Natives und den Unterdrückten.

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Die Rückfahrt über die schnurgerade Schotterpiste gestaltete sich lustig, denn endlich konnte der Cadillac zeigen was er unter der Haube hat. Die riesige Staubwolke hinter uns und die 110 Meilen am Tachometer erinnerten an die Anfangsszene des Burt-Reynolds-Filmes „Der rasende Gockel“ - allerdings ohne Verfolgungsjagd.
Inzwischen hatte ein Johnny-Cash-Imitator die Stufen der Bühne im Auditorium erstiegen und gab einige Cash-Hits zum Besten. Nach einer kurzen Pause und ein paar 1-Dollar Hot Dogs später, war es nun Zeit für den Hauptakt. Ein Mann in Schwarz namens Frank Hamilton nebst Sidemen betrat die Bühne, ein Musiker dessen Klangfarbe der Stimme der von Johnny Cash sehr ähnlich ist. Am Schlagzeug saß „Fluke“ Holland und die Band preschte los mit „Big River“. Nach einigen weiteren Songs - A boy named Sue, I still miss someone, Flesh an Blood etc - wurden, wie bereits wenige Wochen zuvor bei der Elvis-Week in Memphis, Kerzen für die Gedächtnisminute an John R. Cash verteilt.
Danach erzählte „Fluke“ ein paar Stories betreffend das Sun-Studio und Sam Phillips – er war auch bei den Aufnahmen zum legendären „Million Dollar Quartet“ anwesend – und über seine Zeit als Schlagzeuger und Freund von Johnny Cash. Schließlich wurden die älteren Bewohner des Ortes, welche wie der Kartlzwicker persönlichen Kontakt zu Cash gehabt hatten, eingeladen, auf der Bühne ihre Stories zu erzählen. Den Südstaaten-Kauderwelsch kaum verstehend, beschlossen wir wiederum, nun endlich den Ort zu verlassen, um vor dem Eintreffen von „Ike“, dessen Wüten in dieser Nacht vorhergesagt wurde, zurück nach Little Rock zu kommen.

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Die Technik hat uns bei diesem eindrucksvollen Ausflug schmählich in Stich gelassen, denn die Fotos lassen sich aus unverständlichen Gründen nicht von der Kamera kopieren. Darum sind sämtliche Bilder dieses Eintrages aus dem Internet zusammen gestoh - ähem – geborgt.


1. http://www.panoramio.com/photos/original/8619432.jpg
2. http://www.city-data.com/picfilesc/picc34339.php
3. http://www.rubyarchitects.com/images/projects/preservation/dyess2.jpg
4. http://www.city-data.com/picfilesv/picv6383.php
5. http://www.city-data.com/picfilesv/picv12829.php
6. http://www.dyessday.com/sitebuilder/images/cash_yearbook_-603x948.jpg
7. http://farm2.static.flickr.com/1285/744455050_202680dd95.jpg?v=0
8. www.city-data.com/picfilesc/picc34340.php
9. http://www.rubyarchitects.com/images/projects/preservation/dyess2.jpg
10. http://farm2.static.flickr.com/1087/744454990_f701634cf6.jpg?v=0
11. http://www.panoramio.com/photos/original/8619432.jpg
12. http://farm2.static.flickr.com/1325/744455022_45aef729ee.jpg?v=0
13. http://www.dyessday.com/images/BLTee1.jpg
14. www.rockabillyhall.com/wspagelarge.jpg

Sonntag, 7. September 2008

Arkansas und die Wildschweine oder Warum die Amerikaner Sportfanatiker sind

Österreicher und Amis vereint
unter der wildesten Sau des Südens
thanks to Timothy Lim

Die USA sind ein Land des Individualismus. Von klein an sind die amerikanischen Kinder zur Unabhängigkeit angehalten, denn jeder Mensch ist für sein Schicksal selbst verantwortlich, durch Anstrengung, harte Arbeit, eine gute Idee oder auch durch ein außergewöhnliches Talent – als Beispiel sei hier der ehemalige Lastwagenfahrer aus Memphis genannt – kann es jeder Amerikaner, jede Amerikanerin, zu Wohlstand, Ruhm und Ehre bringen. Das ist das Kernelement des „amerikanischen Traumes“. So zumindest in der Theorie, den Minderheiten, die nicht dem Ideal von „White, Protestant and Anglo-Saxon“ entsprechen, haben es selbstverständlich ungleich schwerer.

Nicht der als unnatürlich angesehene, europäische Sozialismus mit seinem sinnlosen und kostspieligen Wohlfahrtsstaat ist laut der gängigen Meinung das natürliche Modell, denn nur auf sich allein gestellt, kann der Mensch sich verwirklichen und von seinem in der Verfassung garantierten Recht auf das Streben nach Glück Gebrauch machen.
Trotzdem findet der Stamm zu gewissen Ereignissen zusammen, um gemeinsam Rituale zu begehen - die die Nicht-Stammesmitglieder teilweise unverständlich finden - um dem Nachwuchs die Traditionen zu lehren, sie in die Kultur einzuführen und für eine kurze Zeit in einem Kollektiv gemeinsam schöne Erlebnisse zu erfahren, denn Amerikaner halten auch zusammen – ein Paradoxon?




Mehr zufällig als gewollt stolperten wir über so ein Stammesritual, denn die Wildschweine waren auf dem Weg in die Stadt. Bereits zuvor waren uns in diversen Geschäften, auf Fahrzeugen und auf Kleidungsstücken rätselhafte Symbole aufgefallen, die wir schließlich als das Logo der „Arkansas Razorbacks“ identifizieren konnten. Dabei handelt es sich um die Sportmannschaft der „University of Arkansas at Fayetteville“, weiter nordwestlich im Bundesstaat gelegen, und bei jenem Ereignis um ein Spiel dieser American-Football-Mannschaft an jenem Tage. Aus Mangel einer Heimmannschaft in ganz Arkansas in einer der großen Ligen des amerikanischen Profisports – es gibt weder einen Major League-Baseballverein, keine Profi-NFL-Footballmannschaft und auch keinen NBA-Basketballverein – sind beinahe alle Einwohner von Arkansas Anhänger der „Razorbacks“, auch „Hogs“ genannt (manche sind ohnehin der Meinung dass der Profisport seelenlos, oberflächlich und hoffnungslos kommerzialisiert ist und wahre sportliche Höchstleistungen nur in den unschuldigen und jungfräulichen Ligen der Universitäten möglich sind).




Das War-Memorial-Stadium, in einem idyllischen Park nördlich des Campus gelegen, sollte der Schauplatz des Kampfes der einheimischen Säue – denn brüderlich teilen sich die beiden Universitätsstädte die Ehre, Austragungsort der Spiele in der „SouthEastern League“ zu sein – gegen die verruchten „Warhawks“ aus Louisiana an diesem Tag werden. Der Park hatte sich seit dem Vormittag in ein riesiges, rot-weißes Fanlager der „Säue“ verwandelt, die Fans waren aus allen Teilen des Staates in die Stadt gekommen, das Spiel selbst sollte erst in den frühen Abendstunden angepfiffen werden. Karten waren natürlich schon längst keine mehr erhältlich, außer bei den üblichen Schwarzmarkthändlern – zu deutlich überhöhten Preisen, wie sich von selbst versteht.
Wir beschlossen, einen kurzen Blick auf das Fanlager zu werfen und ergatterten sogar noch Eintrittskarten in die Fanzone eines Geldinstituts. Dort gab es gratis Getränke – selbstverständlich alkoholfrei – und Speisen, Hühnchenpfanne, Rindfleischpfanne, grüne Bohnen und Mais, sowie Eiscreme und Donuts. Diverse Firmen nutzten die Gelegenheit des Menschenauflaufs um durch die Verteilung von kostenlosen Fanartikeln etwaige neue Kunden zu ködern und auch die Arkansas-Nationalgarde hatte einen Rekrutierungsstand aufgebaut, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sich ein paar mit Bier und härterem Stoff Selbstversorgende nach dem alkoholbedingten Verlust des Urteilsvermögens doch noch freiwillig melden würden. Diverse Methoden der Rekrutierung ähnlichen Couleurs sind ja seit dem 18. Jahrhundert aus England bekannt.



Nachdem wir uns erstmal gestärkt hatten und ein paar Souvenirs ergattert hatten, erlebten wir auch noch ein außerordentliches Glück, die Ankunft von „Sooie“ am Stadion. Dabei handelt es sich um eine ausgewachsene Bache, bekannt für ihre lustigen Verkleidungen und Tanzeinlagen, die bequem in einem eigenem, äußerst komfortabel ausgestatteten Anhänger zu den Spielen chauffiert wird. Empfangen wurde sie – als eine der vier Maskottchen-Sauen der „Hogs“ - mit einer Fanfare und frenetischem Beifall der Anhänger. Nach diesem Spektakel wanderten wir weiter durch das Lager. Viele nutzten die Gelegenheit für ein BBQ oder ein kleines Besöufnis, manchmal auch in einer Doppelkombination, es herrschte Campingplatzstimmung, gemischt mit TingelTangel-Atmosphäre. Pavillon-Zelte mit Fernsehgeräten und kompletten Heimkinoanlagen waren aufgebaut, wer keine Karten für das Spiel hatte, konnte es auf den Bildschirmen verfolgen, mit dem Luxus, jederzeit über ein kühles Getränk, Hamburger, Toiletten und andere Annehmlichkeiten zu verfügen. Lässt man sich auf ein „Tratscherl“ ein, stehen die Chancen gut, von manchen auf das Spiel in ihrem temporären Garten eingeladen zu werden. Auch manche Snacks, wie Obst oder Wildschweinkekse (in der Form, ohne die Zutat) wurden kostenlos verteilt. Bei ähnlichen Gelegenheiten ist uns bereits die Spendierfreudigkeit des amerikanischen Volkes in den Südstaaten aufgefallen. Die Frage, die sich stellt, lautet: hat Nahrung in einem Land, das niemals eine Hungersnot erleiden musste, nun einen besonderen Stellenwert, ist es etwas, dass man gerne mit fremden Leuten aus Gründen der Freundlichkeit teilt, eben die sprichwörtliche „Southern Hospitality“? Oder ist es gerade, weil es im Überfluss vorhanden ist, leichter kostenlos zu verteilen, da man keinen persönlichen Verlust erleidet, der schwer zu kompensieren ist?
Der Unterschied zu europäischen Sportveranstaltungen liegt auch im völligen Fehlen von radikalen Anhängern, die auch vor dem Einsatz von Gewalt gegenüber den Anhängern der anderen Mannschaft nicht zurückschrecken (kann man das als ein Fehlen bezeichnen?). Es geht also etwas friedlicher zu, die Stimmung in einem Stadion ist trotzdem gr0ßartig und mitreissend.






Sooie bei Ihrer Ankunft am Stadion






Übrigens, die „Razorbacks“ gewannen mit 28 : 27.