Sonntag, 14. September 2008

Dyess, Arkansas - J.R. Cash

Auch wenn kaum ein Europäer fähig ist, den Namen des Bundesstaates korrekt auszusprechen, zwei Personen aus Arkansas sind weltberühmt: Johnny Cash und Bill Clinton. Während der eine als geläuterter Drogenfreak einer der größten Countrysänger und Songschreiber der Geschichte wurde, machte der andere als 42. Präsident der USA Karriere, auch wenn er den amerikanischen Jugendlichen beibrachte, dass Oralverkehr mit Praktikantinnen kein Sex ist. God bless America
Während der Hurrikan „Ike“ – nicht benannt nach Ike Turner, der zwar auch einiges zu Kleinholz machte – die texanische Golfküste verwüstete, machten wir uns auf den Weg nach Dyess, einem kleinen, verschlafenen Ort in Mississippi County, Arkansas. Der Ort wurde 1934 im Zuge des „New Deals“, der „Neuverteilung der Karten“ als Hilfsmaßnahme für die von der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gebeutelten Farmer, als Kolonie gegründet. Das kurzfristige Aufblühen dieser sozialistischen Elemente im Heimatland des Kapitalismus zog auch die Familie Cash nach Dyess, wo sie eine kleine Farm in dem rasterförmigen Ort bewirtschaften konnten, hauptsächlich ernährt durch den Anbau von Baumwolle. Heute ist Dyess nach wie vor ein durch die Landwirtschaft geprägter Ort, wobei jetzt aber vor allem Soja angebaut wird.

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Zum 5. Todestag von Johnny Cash, am 12. September, sollte eine kleine „Memorial-Show“ im Auditorium der Dyess-Highschool stattfinden, deren Ehrengast W.S. „Fluke“ Holland sein sollte, der Schlagzeuger der „Tennessee Three“, der Begleitband Johnny Cashs. Fluke wuchs in Jackson, Tennessee auf und begann seine Karriere als Musiker – er wollte eigentlich Klimaanlagentechniker werden - mehr zufällig. Carl Lee Perkins, weltberühmt für seine „Blue Suede Shoes“ und von vielen als „Godfather of Rockabilly" bezeichnet, fragte ihn 1954, vor der ersten Session für Sam Phillips in Memphis, ob er der Perkins-Brothers-Band nicht als Schlagzeuger beitreten wolle, obwohl er keinerlei Erfahrung auf dem Instrument hatte. Jahre später sollte er erfahren, dass Carl ihn nur deshalb gefragt hatte, da Fluke das einzige Auto in Carls Bekanntenkreis besaß, einen 1948er Cadillac, dem sie die Zuverlässigkeit zusprachen, die 80 Meilen weite Fahrt nach Memphis zu überstehen und noch dazu ausreichend Platz für Clayton Perkins‘ Kontrabass bot. Die Session im Sun-Studio war nach anfänglichem Zögern schließlich von Erfolg gekrönt, die Perkins-Band hatte ihren ersten Hit mit „Movie Magg“ aufgenommen. 1955 traf Fluke dann auf Johnny Cash und wurde Mitglied der „Tennesse Two“, von jetzt an „Tennessee Three“ genannt und sollte bis zum Tod von Cash sein Schlagzeuger bleiben.

Die fruchtbare Schwemmebene des Mississippi in Nordostarkansas wird vom Interstate 55 in Richtung St. Louis durchzogen. Es gibt in diesem Bereich des Landes kaum größere Ortschaften, das Land ist in alle Richtungen bis zum Horizont flach und die Wegweiser am Interstate geben wenig Auskunft, Dyess ist auf keinem einzigen genannt. Fährt man an der Abfahrt von Marie/Keiser vom Interstate ab und schlägt den Weg Richtung Westen am Highway 14 ein, erreicht man nach einigen wenigen Meilen Fahrt, vorbei an den Sojabohnenfeldern, eine Tafel: Dyess, Arkansas, Boyhood Home of Johnny Cash, Boyhood Home of Gene Williams.

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Der Ort selbst bietet ein eher trostloses Bild, die Bewohner hausen vorwiegend in Trailern. Doch die Freundlichkeit überraschte uns, die Kinder am Straßenrand winkten uns fröhlich zu. In der Ortsmitte befindet sich ein recht herrschaftlich anmutendes Gebäude, wie wir später erfahren sollten, ist hier die Unterbringung des Johnny-Cash-Museums geplant, sobald die marode Bude renoviert ist. Das dürfte wohl noch einige Jahre dauern, denn die Summe von 800.00 Dollar wird für die Gemeinde wohl schwer aufzubringen sein. Der Vollständigkeit halber sei hier auch erwähnt, dass einige Szenen des Filmes "Walk The Line" mit Reese Witherspoon und Joaquin Phoenix in dem kleinen Ort gedreht wurden.
Vor dem Auditorium der Dyess Highschool – jawohl, dort ging der junge J.R. zur Schule – waren ein paar Wagen geparkt und viel mehr sollten es im Verlauf des Abends auch nicht mehr werden, die Veranstaltung wurde von höchstens 70 Personen besucht. Da waren wir als Österreicher wohl das exotischste des ganzen Abends. Der Herr an der Kasse, mit dem wir uns unterhielten, erzählte uns von seinen Army-Erlebnissen in Deutschland – Geschichten über „Frauleins“ und die Vorzüge Europas, die Schönheit unseres Heimatlandes, das er auch besucht hatte. Auch wenn viele Amerikaner keinen Reisepass besitzen, mit der Army kommt man anscheinend ganz schön weit herum. Er gab uns auch bereitwillig Auskunft, wo sich die ehemalige Cash-Farm befindet – seine Großmutter hatte einst direkt gegenüber gewohnt und er hatte mit den Cash-Buben seinerzeit Cowboy und Indianer gespielt. Die Warnung, dass die Schotterstraße für unseren Wagen zum Problem werden könnte, ignorierten wir, in diesem Falle vertrauten wir voll unserem Cadillac.
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Das Haus und die ganze Farm mit der Adresse 4791 West Country Road 924 liegen wenige Meilen außerhalb des Ortes, sind relativ heruntergekommen und werden zur Zeit von einem Herrn namens Willie Stegall bewirtschaftet – wie uns ein gekonnter Blick in den Briefkasten kund tat. Das Angebot einer Firma, die Farm und das Wohnhaus der Cash-Familie für 200.000 Dollar zu verkaufen, hat er gerüchteweise abgelehnt, dafür nimmt er jetzt 5 Dollar für das Fotografieren des Hauses von den wenigen Touristen entgegen, um das Anwesen „erhalten“ zu können – oder sich doch die eine oder andere Flasche „Wild Turkey“ zu kaufen? Das war also jener Ort, an dem die Saat aufging, aus der die Legende des “Man in Black“ erwuchs, dem Outlaw und Sympathisant von Amerikas vergessenen Kindern, den Gesetzesbrechern, den verlorenen Helden, den Natives und den Unterdrückten.

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Die Rückfahrt über die schnurgerade Schotterpiste gestaltete sich lustig, denn endlich konnte der Cadillac zeigen was er unter der Haube hat. Die riesige Staubwolke hinter uns und die 110 Meilen am Tachometer erinnerten an die Anfangsszene des Burt-Reynolds-Filmes „Der rasende Gockel“ - allerdings ohne Verfolgungsjagd.
Inzwischen hatte ein Johnny-Cash-Imitator die Stufen der Bühne im Auditorium erstiegen und gab einige Cash-Hits zum Besten. Nach einer kurzen Pause und ein paar 1-Dollar Hot Dogs später, war es nun Zeit für den Hauptakt. Ein Mann in Schwarz namens Frank Hamilton nebst Sidemen betrat die Bühne, ein Musiker dessen Klangfarbe der Stimme der von Johnny Cash sehr ähnlich ist. Am Schlagzeug saß „Fluke“ Holland und die Band preschte los mit „Big River“. Nach einigen weiteren Songs - A boy named Sue, I still miss someone, Flesh an Blood etc - wurden, wie bereits wenige Wochen zuvor bei der Elvis-Week in Memphis, Kerzen für die Gedächtnisminute an John R. Cash verteilt.
Danach erzählte „Fluke“ ein paar Stories betreffend das Sun-Studio und Sam Phillips – er war auch bei den Aufnahmen zum legendären „Million Dollar Quartet“ anwesend – und über seine Zeit als Schlagzeuger und Freund von Johnny Cash. Schließlich wurden die älteren Bewohner des Ortes, welche wie der Kartlzwicker persönlichen Kontakt zu Cash gehabt hatten, eingeladen, auf der Bühne ihre Stories zu erzählen. Den Südstaaten-Kauderwelsch kaum verstehend, beschlossen wir wiederum, nun endlich den Ort zu verlassen, um vor dem Eintreffen von „Ike“, dessen Wüten in dieser Nacht vorhergesagt wurde, zurück nach Little Rock zu kommen.

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Die Technik hat uns bei diesem eindrucksvollen Ausflug schmählich in Stich gelassen, denn die Fotos lassen sich aus unverständlichen Gründen nicht von der Kamera kopieren. Darum sind sämtliche Bilder dieses Eintrages aus dem Internet zusammen gestoh - ähem – geborgt.


1. http://www.panoramio.com/photos/original/8619432.jpg
2. http://www.city-data.com/picfilesc/picc34339.php
3. http://www.rubyarchitects.com/images/projects/preservation/dyess2.jpg
4. http://www.city-data.com/picfilesv/picv6383.php
5. http://www.city-data.com/picfilesv/picv12829.php
6. http://www.dyessday.com/sitebuilder/images/cash_yearbook_-603x948.jpg
7. http://farm2.static.flickr.com/1285/744455050_202680dd95.jpg?v=0
8. www.city-data.com/picfilesc/picc34340.php
9. http://www.rubyarchitects.com/images/projects/preservation/dyess2.jpg
10. http://farm2.static.flickr.com/1087/744454990_f701634cf6.jpg?v=0
11. http://www.panoramio.com/photos/original/8619432.jpg
12. http://farm2.static.flickr.com/1325/744455022_45aef729ee.jpg?v=0
13. http://www.dyessday.com/images/BLTee1.jpg
14. www.rockabillyhall.com/wspagelarge.jpg

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