Samstag, 27. September 2008

Die Rückfahrt...

Die Heimfahrt nach Little Rock sollte noch lustig werden. Dass der Cadillac gelegentlich bockte, war uns schon aufgefallen. Bei Durchtreten des Gaspedals beschleunigte der Wagen nicht, auch Fehlzündungen kamen vor. Was konnte das sein, eine Verstopfung in der Kraftstoffzufuhr? Verschmutzte Zündkerzen? Egal, der Wagen würde hoffentlich durchhalten. Ohne einen gültigen Führerschein, ohne Telefon – die amerikanischen Interstates haben keine Notrufsäulen – und mit einem bockenden Wagen 300 Meilen nach Texas und zurück, das schmeckte nach Abenteuer. Flugs noch schnell einen Hamburger bei „Jack in the box“ - Kollege Bergmayr hatte Recht, wirklich ein guter Burger – und es ging wieder nach Hause.
Die Bockereien und die Fehlzündungen mehrten sich, aber immer wenn wir den Wagen auf den Pannenstreifen steuern wollten, funktionierte wieder alles wie geschmiert. Doch jedes Überholmanöver der viel zu schnell fahrenden Sattelschlepper kratzte am Nervenkostüm. Würde der Wagen es schaffen? Oder würde er immer langsamer neben dem LKW herfahren und schliesslich zurückfallen? Wir mussten doch nach Hause, ein Test auf der Universität war am nächsten Tag angesetzt, den wir unter keinen Umständen versäumen sollten. Jedes Mal schaffte es der Wagen gerade doch noch, wie durch unsere Anspannung vorangetrieben. Das Spiel ging einige Male hin und her. Dann, plötzlich, ging nichts mehr, der Wagen wurde immer langsamer. Der Versuch, den Wagen durch Durchtreten des Gaspedals zu beschleunigen, fruchtete nicht. Verflucht. Nur mehr 60 Meilen am Tachometer... Der LKW im Rückspiegel kam immer näher. Wir zogen nach Links, der LKW ebenfalls. Erinnerungen an „Duell“, den ersten Spielfilm von Steven Spielberg, wurden wach. Würden wir den Zorn des LKW-Fahrers auf uns ziehen? Würde er uns jagen, bis einer aufgibt? Wenn ja, hatten wir eine Chance? Nur mehr 50 Meilen am Tachometer...
Der Sattelzug kam immer näher. Der Fahrer hupte, zweifelsohne wollte er uns kriegen. Das Gaspedal wurde durchgetreten, doch der Cadillac reagierte noch immer nicht. Nur mehr 40 Meilen am Tachometer... Der Kühlergrill im Rückspiegel wurde immer grösser, immer bedrohlicher. Es schien, als hätte er sich in eine Fratze verwandelt, höhnisch lachend, fies, hungrig. Nur mehr 35 Meilen am Tachometer... Wir zogen den Wagen nach rechts, der LKW folgte uns. Wieder hupte der Fahrer, dessen Gesicht nicht zu sehen war. Panik kroch hoch, eiskalt lief es uns den Rücken hinunter. Nur mehr 30 Meilen am Tachometer... Der Sattelzug war nun so nahe herangekommen, es gab keinen Zweifel mehr, wir waren verloren. Wir würden zermalmt werden, man würde unsere zerschmetterten Leichen aus dem Wrack ziehen müssen, unidentifizierbar, ohne Papiere. 25 Meilen am Tachometer... Die Fratze im Rückspiegel war nahe, unser Ende ebenso. Ein letztes, verzweifeltes Pumpen des Gaspedals. Keine Reaktion. Der Kühlergrill des Sattelzuges war nun direkt hinter dem Rückfenster. 20 Meilen am Tachometer... Es war vorbei...
Plötzlich, auf einmal, ein ohrenbetäubender Knall. Eine Fehlzündung, Kickdown, der Wagen beschleunigte, wie ein Raketenantrieb. 30 Meilen, 40 Meilen, der Sattelzug im Rückspiegel wurde immer kleiner. 50 Meilen, der Wagen beschleunigte weiter, wir waren gerettet. Der LKW wurde immer kleiner. Der Motor des Cadillacs lief wieder, allerdings viel lauter als zuvor. Diesmal waren wir gerade noch um Haaresbreite entkommen. Doch würde der Wagen durchhalten?

Wir schafften es tatsächlich heil nach Hause, allerdings doppelt so laut wie gewöhnlich. Da die Dunkelheit bereits hereingebrochen war, konnten wir keinen Schaden feststellen. Erst am nächsten Tag sahen wir, dass offenbar der Endtopf des Auspuffs explodiert war.
Die Diagnose lautete: Die Erdung in der Bordelektrik war mangelhaft, deswegen reagierte die Zündung nicht ordnungsgemäss. Durch „backfiring“, angestaute Abgase und unverbrannten Sprit explodierte der Endtopf. Doch Dank Wes, dem tätowierten Mechaniker unseres Vertrauens, und den Three-Star-Mufflers läuft der Wagen wieder 1a.


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