Samstag, 3. Jänner 2009

Quer durch Nevada

Nevada ist das Paradies für alle glücksspielbegeisterten Amerikaner, eine Leidenschaft, die wir wohl so nicht ganz nachvollziehen können. Von Las Vegas haben wir schon ausgiebigst berichtet, wobei aber festzuhalten ist, dass Vegas wirklich einmalig ist. Bereits das erste Kaff unmittelbar hinter der Grenze zu Utah, West Wendover, kann sich rühmen, fünf verschiedene Casinos zu beheimaten, bei einer Einwohnerzahl von nicht einmal fünftausend Seelen. Selbstverständlich sind die Parkplätze vor allem mit Autos mit Kennzeichen aus Utah besetzt – die Fahrt durch die Bonneville Salt Flats, eine flache Salzwüste, scheint hierfür keineswegs zu beschwerlich. Der Name Bonneville Salt Flats geht auf den prähistorischen Salzsee zurück, dessen letzter Überrest der Great Salt Lake westlich von Salt Lake City ist und der eben Bonneville-See genannt wird. Gleichzeitig ist der Bonneville-Salzsee, oder viel mehr die Bonneville-Salzkruste oder auch Große Salzwüste auch Namensgeber für motorisierte Fahrzeuge, denn die flache Struktur ist ideal für Geschwindigkeitsrekorde. Beispiele hierfür seien die Triumph Bonneville oder der Pontiac Bonneville. Jährlich findet hier auch ein Motorsport-Festival der Superlative statt, sowohl eines der größten Motorradtreffen der Welt als auch Geschwindigkeitsrennen und Stunts sind Bestandteil dieser Veranstaltung, die dem Ort den Beinamen „Speed Capital oft he World“ eingebracht haben.



Wendover ist wieder einmal ein anschauliches Beispiel für die „Oberflächlichkeit“ der amerikanischen Gesellschaft. Die Casinos sind Prachtbauten und bieten jeden Luxus, den sich der Gast nur wünschen kann – so lange er sein Geld hier lässt. Etwas weiter die Straße runter und dann um den Block liegen die Behausungen der Stadtbewohner, die zu einem erheblichen Teil aus aufgebockten Trailern bestehen, Unterkünfte die in diesem Klima vor allem im Winter erhebliche Heizkosten verursachen. Doch kurz zur Oberflächlichkeit. Man kann sich als Zentraleuropäer nicht des Eindruckes erwehren, dass alles in Amerika, seien es Gebäude, Geschäfte, die Gesellschaft als Ganzes, sich vor allem um die Erhaltung oder Erstellung eines gewissen oberflächlichen Glanzes dreht. Bohrt man etwas tiefer kommen die für den Europäer so seltsam wirkenden Unpässlichkeiten ans Tageslicht. Im Hochbau kommt dies darin zum Ausdruck, dass die meisten Gebäude in einer „Baloon“ genannten Holzkonstruktion, bestehend aus Brettern mit einem Inch (2,54cm) Stärke, zusammengenagelt werden. So stabil wie ein Ballon sind die Dinger dann auch. Allerdings muss man gestehen dass auch die Reparaturen an solchen Bauten kostengünstiger sind. In unserem Haus in Little Rock konnten wir einen Blick auf die Zu- und Abwasserinstallationen unter dem Fußboden werfen, die hängend im Hohlraum zwischen Erdreich und Boden ausgeführt sind und somit leicht zu warten und zu reparieren sind. Allerdings hatte sich die Bude auf Grund des Mangels einer ausreichenden Fundierung auch schon gesetzt, was durch hängende Fußböden klar zu erkennen war. So hebt ein Nachteil den Vorteil auf. Jedenfalls werden die billigen Konstruktionen an Gebäuden oft durch aufgeklebte Steinplatten kaschiert und eine andere Bauweise suggeriert. Und genau so verfahren die Amis mit vielen Dingen, es wird kaschiert, getäuscht und getarnt. Man bekommt beispielsweise schnell und gern Auskunft bei Fragen, denn die Leute sind extrem freundlich und zuvorkommend. Doch leider stimmen die Informationen, die man bekommt, oft überhaupt nicht - diese Erfahrung machten wir öfter als einmal – wieder hat man den Eindruck das hier die Oberfläche poliert wird, aber die Struktur dahinter zu wünschen übrig lässt. Dieses System findet auch in der Handhabung von Medikamenten seinen Niederschlag, man hat den Eindruck dass Amerikaner Medikamente, die ohnehin ungleich stärker als in Europa und teilweise auch ohne ärztliche Verschreibung im Drugstore erhältlich sind, sehr viel und gern benutzen, und nicht nur zu medizinischen Zwecken, starke Schmerzmittel sind eine beliebte Freizeitdroge. Der Glauben an die Pharmaindustrie und die Allheilkraft ihrer Produkte findet in einer oberflächlichen Bekämpfung von Krankheitssymptomen anstatt von Ursachen seinen Platz im Alltag der Amerikaner; ein Irrglaube der auch King Elvis das Leben kostete. Doch auch in Europa sind wir auf diesem Weg.


Das Große Becken und die Bergpässe, die wir passierten, vermittelten uns den Eindruck des tiefsten Winters. Im Gegensatz zu den Pässen in Colorado werden die Straßen in Nevada offensichtlich nicht mit der gleichen Gründlichkeit geräumt. Die Sattelzüge, die im Schneckentempo die Straßen den Berg rauf und runter krochen, mussten sich mit Schneeketten behelfen, um nicht von der Fahrbahn zu rutschen. Der Cadillac wiederum glitt wie auf Schienen dahin. In einem kleinen Kaff machten wir Halt, denn die hereinbrechende Dunkelheit machte die Weiterfahrt zu einem riskanten Unterfangen. Der Ort, indem wir unterkrochen, war trostlos wie viele andere auf unserem Weg. Aber eines unterscheidet ihn von den vielen anderen, durch die wir geglitten waren, er verfügte über ein Casino, denn schließlich befanden wir uns auf nevadischer Erde! Sogar in den Weihnachtsfeiertagen hat das Spielcasino geöffnet und was noch befremdlicher wirkte, es gibt tatsächlich Menschen die die Feiertage in diesen Spelunken verbringen! Aber „in the land of the free and the home of the brave“ hat jeder die Freiheit der Wahl seines Zeitvertreibes.

Am nächsten Tag rollten wir nach Reno, an der kalifornisch-nevadischen Grenze. Betreten hatten wir Nevada durch eine Casinostadt, verlassen würden wir es also auch auf diesem Weg. Von der Stadt mit dem Beinamen „The Biggest Little City in the World“ hatten wir schon viel gehört und unsere Neugierde sowie Teitelbaums Empfehlung der Vintage-Neon-Schilder an der Hauptstraße führten uns nach Downtown. Nun ja, Reno ist einfach eine billige, abgenudelte, verkleinerte und schmutzigere Version von Las Vegas und scheint seine größte Zeit schon längst hinter sich zu haben. Casinos, Motels und Pfandleiher reihen sich aneinander, vor allem bei Tageslicht ist die Trostlosigkeit bedrückend und am liebsten möchte man diesen Ort Hals über Kopf verlassen. Traurig ist das Schicksal der Stadt deswegen, da Reno schon einige Zeit länger als Las Vegas existiert und bevor die verschwenderische Wüstenstadt im Südzipfel Nevadas als Entertainment-Hauptstadt der USA bekannt wurde, eigentlich Reno diese Aufgabe erfüllte. Aber: Alles Irdische ist vergänglich.
Der Schneefall und das Tauwetter hatten die Stadt in einen ungemütlichen Abklatsch seiner selbst verwandelt, das Publikum, dass durch die Straßen schleicht, wirkt ebenfalls etwas heruntergekommen. Vielleicht waren auch alle schon mehrere Tage auf der Straße, so wie wir, denn wir machten sicher auch nicht den vertrauenerweckendsten Eindruck. Bei asiatisch-stämmigen Amerikanern scheint Reno aber nachwievor hoch im Kurs zu stehen, denn viele der herumstreundenden Familien hatten einen solchen Hintergrund. Nachdem wir uns umgesehen hatten und ein paar der Neonschilder für die Nachwelt dokumentiert hatten, verließen wir endlich fluchtartig die Stadt.






Über den Donner-Pass in der Sierra Nevada kamen wir nach Kalifornien. Unterwegs stockte der Verkehr zwar ordentlich, denn viele der asiatisch-stämmigen Amerikaner krochen mit 20 Meilen pro Stunde über den zwar geräumten, aber am Bankett mit Schnee bedeckten Interstate, wohl in der Angst einen Unfall zu erleiden. Die Nerven vieler Autofahrer lagen blank und es kam zu halsbrecherischen Überholmanövern und Spurwechseln, die des Öfteren tatsächlich beinahe in Unfällen endeten. Irgendwie kam die Erinnerung an die italienischen Wintergäste in Kärnten oder Osttirol hoch, die sich durch ein ähnliches Fahrverhalten auszeichnen. Wenige Meilen nach der kalifornischen Grenze war dann auch der Schnee verschwunden und das Wetter war erheblich milder, eine uns eigentlich zur rechten Zeit kommenden Tatsache, die sich in den nächsten Tagen noch steigern sollte.

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